30. September 2014

In memory of my wife who passed away. Diese Formulierung fand Ella immer besonders schön. Sie war seit dem 20. Mai 2001 mit Manu verheiratet und wenn es nach ihnen beiden gegangen wäre, hätte das gar nicht sein müssen. Doch die Einreisemöglichkeit und um in Amerika wohnhaft zu werden, benötigte nun einmal eine Ehe. Damals zählte die hübsche blonde Frau den vierten Monat ihrer Schwangerschaft und musste auch noch nüchtern ertragen, wie ihr frisch gebackener Ehemann stetig betrunkener wurde auf der Hochzeitsfeier. Ja, Manu war alles andere als ein braver und frommer Kirchenmann, auch wenn er zuhauf Theologie studiert und seit fast drei Jahren den Status Pater errungen hatte, hielt er sich wirklich nicht so richtig an das Standesdünkel der Kirche. Ella gefiel das, sonst hätte sie sich nicht in ihn verliebt und sie wusste recht schnell, dass er ihr Gegenstück war, so wie umgekehrt. Manu war ein Freidenker, passte im Grunde gar nicht so recht in dieses Kirchenamt und dennoch praktizierte er es, wenn auch auf seine Art und Weise. Er krachte bereits mit einem Dozent während seines Studiums mitunter massiv zusammen, selbst nach einer Vorlesung damals in Stockholm war eine Auseinandersetzung so intensiv, dass er mit einem Mitstudenten auf dem Gehweg vor der Uni beinahe handgreiflich wurde. Das war das erste Aufeinandertreffen von Ella und ihm, welche beherzt in das wütende und impulsive Verhalten der Männer eingriff. Schon von jeher beherrschte sie es, Manu von seiner Aufgebrachtheit wie durch ein Fingerschnippen zu beruhigen und ihn auf den Boden der Tatsachen zu bringen. Im Grunde zogen sich die beiden wie zwei völlig unterschiedliche Elemente an und dieser Tag war der, an welchem sie sich nicht mehr aus den Augen ließen.
Das alles war schon so viele Jahre her und doch musste er oft an dieses Ereignis zurück denken, wie in diesem Moment, als er schon seit einigen Minuten wach im Bett lag und nun sachte zu lächeln begann.
"Bist du schon wach?" Ellas Stimme drang gedämpft an sein Ohr, so als läge ihr Mund auf dem Kissen und dies wurde ihm nur bestätigt, nachdem er seinen Kopf zu ihr herumdrehte. Sie schien ihn schon seit längerem zu beobachten, denn sie lag seitlich im Bett, ihr Gesicht zur Hälfte im Kissen eingesunken und sah ihn mit einem ihrer tollen grünen Augen an.
"Mhm... Und weißt du, woran ich gerade denken musste?" Doch anstatt ihm Gehör zu schenken, vertröstete sie ihn und strich mit ihren Fingern über seinen Mund, was ihn natürlich umgehend zum Schweigen brachte.
"Manu... Mir geht es nicht so gut. Erzähle mir deine Erinnerung später. Bitte, wecke die Kinder und hilf ihnen. Ich möchte noch etwas liegen bleiben. Gib mir ein bisschen Zeit." Auch wenn sie ihn mit einer liebevollen Art aus dem Bett warf, so verletzten ihn ihre Worte dennoch, denn so kannte er sie nicht und sofort kehrte auch eine tiefgehende Sorge ein. Ein dumpfer Druck entstand in seiner Brust und als er sich in die sitzende Position aufrichtete, mit dem Gesicht zu ihr gedreht, schien sie seine Gefühle sehr wohl zu verstehen.
"Mach dir keine Sorgen, du rebellischer Kirchenmann. Gib mir einfach nur einen Moment." Da war sie wieder: Die blonde Frau, die er geheiratet hatte! Ihn neckend und rum kommandierend auf ihr humorvolle Art, welche nun auch dafür verantwortlich war, dass er sich mit einem Schmunzeln aus dem Bett schwang.
"Und zieh dir was an! So willst du nicht unsere Kinder wecken ... oder?" Nun kam schon ein leises Kichern aus ihrem Mund, während sie die Decke bis zu den Lippen empor zog und ihren Mann mit einem frechen Blick bedachte. Leicht verlegen unterdrückte sich Manu ein Grinsen und zog sich eine Pyjamahose und ein T-Shirt an, welche es wohl gestern Abend nur auf den Boden neben dem Bett geschafft hatten, anstatt wie üblich am Körper zu bleiben.
"Du bist manchmal unmöglich..." Entgegnete er noch tadelnd und ums Bett herumgehend, beugte sich noch auf ihrer Seite über sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange, ehe er sich mit einem leichten Klaps verabschiedete.
Die Schlafzimmertür zog er hinter sich zu, brachte seine Haare noch einigermaßen in Ordnung, welche total verwuschelt waren und bewegte sich dann in Richtung des Zimmers der älteren Tochter Lynn, öffnete vorsichtig die Tür und weckte sie, indem er ihren Namen immer wieder leise rief. Erst als sie die Augen öffnete und ihn anblickte sagte er:
"Stå upp, liten en. Frukosten väntar." (Steh auf, Kleine. Das Frühstück wartet.) Natürlich ging er in der gleichen Manier auch zur jüngeren Tochter, welche oft begann zu weinen, weil sie nicht in den Kindergarten wollte. So leider auch heute Morgen, was für Manu immer besonders schwer war, da er selbst nicht zu den geduldigsten Menschen morgens zählte. Also fluchte er innerlich leise vor sich hin und betrat das Kinderzimmer Elsas, setzte sich auf die Bettkante.
"Gråt inte. Du kommer tillbaka vid middagstid." (Weine nicht. Du kommst mittags zurück.) Natürlich konnte Ella 10 Mal besser trösten und mit den Kindern umgehen. Er hingegen gestaltete die Situation oftmals zu plump und schien kein Gespür zu haben, was gerade in einer seiner Töchter vorging. Dennoch bestach er mit anderen Qualitäten, in welchen wiederum Ella sehr streng war, gerade was die Freiheit anging und Selbstständigkeit. Ella wollte ihre Töchter am liebsten wie eine Glucke beherbergen, sie zur Schule bringen und wieder abholen... Dass dies aber bereits für Lynn peinlich sein konnte, wollte die Mutter zu Beginn gar nicht einsehen! Aus einem anderen Grund weinte nun Elsa, weil sie es gewohnt war, mit 'Mama' aufzustehen und zum Kindergarten zu gehen.
"Men jag vill gå med mamma!" (Aber ich möchte mit Mama gehen!) Kam es quengelnd über die Lippen des kleinen Blondschopfs, was für Manu ein Grund war, säuerlich zu werden und schlug die Decke zurück.
"Stå upp!" (Steh auf!) Er selbst richtete sich nun auf und zeigte mit dem Finger auf den Boden, als untermalende Aufforderung. Dies war mal wieder der Punkt, wo es keine Möglichkeit zur Diskussion gab und er mit Strenge reglementierte. Das zum Beispiel wussten seine Töchter sehr wohl und ... Elsa weinte zwar noch leise, aber bewegte sich an die Bettkante. Wortlos verließ er ihr Zimmer und machte sich auf den Weg hinunter in die Küche.